Hilfe, der Teenie will stricken!

01.03.2023

Es war ein lauer Frühlingstag. So ein Tag, an dem die Welt noch wirklich gut und in Ordnung erscheint. Ihr wisst schon, die Sonne scheint, der Himmel strahlt in seinem schönsten Blau, die Vögelchen stimmen eines der ersten Lieder an. Ich genieße die ersten Sonnenstrahlen gemütlich eingemummelt auf der Terrasse, eine gute Tasse Tee dampft auf dem Tisch vor sich hin und frohen Mutes lasse ich die Nadeln klappern. Kurzum – ein wirklich perfekter Tag.

Und so freute ich mich sogar, als mein 13-jähriges Pubertier zur Abwechslung auch mal aus der dunklen Höhle kroch, um – wie ich fatalerweise glaubte – ebenfalls ein wenig Sonne und gute Laune an der frischen Luft zu tanken. Denn ihr müsst wissen, quasi über Nacht hat sich mein kleiner, stets gut gelaunter Schatz in ein Wesen der Dunkelheit verwandelt. Dunkel die Klamotten, grimmiges Gesicht, das sich hinter einem langen Vorhang aus Haaren verbirgt. Gegen Lichtbilder jeglicher Art und Licht im Besonderen allergisch – daher an dieser Stelle auch kein Foto. Aber ich denke, ihr könnt euch schon vorstellen, wovon ich spreche.

Also dieses gar nicht so seltene Exemplar eines Pubertiers kam an diesem wunderschönen Tag zu mir und verkündete missmutig: „Mama, ich will stricken.“
Verwundert legte ich meine Nadeln beiseite. Überrascht blickte ich auf. Und konnte kaum glauben, was ich vernommen hatte.  „Du willst stricken lernen?“. „Boah, dann eben nicht!“ Augenrollen, genervtes zusammensacken und schon wandte sich das Tierchen wieder in Richtung Teenie-Höhle um.
„Halt, stopp! Jetzt warte doch!“ denn wenn sie wirklich stricken wollte, dann war das doch jetzt MEINE Gelegenheit. Etwas sinnvolles tun, sich nicht immer nur verkriechen. In wunderschönen Farben und weichen Wollknäulen schwelgen. Und das endlich auch wieder als Team. Mutter und Kind, wie in alten Zeiten vereint. Also ran an die Nadeln.

„Was möchtest du denn stricken?“ Und bei der Antwort „Keine Ahnung.“ Hätte ich vielleicht schon auf die ersten leisen Alarmglöckchen, die in mir klingelten hören sollen.
Aber ich überhörte sie und schlug vor: „Wie wäre es mit einem Schal für den Anfang?“
Tja, es würde sich nicht um ein Pubertier handeln, wenn es einfach gewesen wäre. Wie sollte es anders sein, sie wollte natürlich als erstes Projekt ein Sommertop. Ich dachte noch, das sei ja ein Kinderspiel – einfach zwei große Quadrate stricken, zusammennähen und fertig. Das müsste doch fürs Erste reichen. Aber weit gefehlt.
Das Pubertier hatte nämlich da schon etwas sehr explizites im Auge. Und zwar ein ziemlich aufwendiges Top, dass sie in irgendeiner Teenie-Modezeitschrift gesehen hatte. Mein Einwand, ohne eine passende Anleitung wäre das auch für Profis kaum zu schaffen, wurde überhört. Pubertiere sind nämlich manchmal ganz schön schwerhörig. Zumindest, wenn es sich um Dinge handelt, die sie nicht hören wollen.

„Gut, wir wollen es versuchen.“ Eine erste Wolke zog am strahlend blauen Himmel auf. „An welche Farbe hattest du denn gedacht?“ „Schwarz“. Na, das hätte ich mir eigentlich auch denken können. Also ab zur Wollkiste und nach einem passenden Garn gesucht. Leider gefiel dem Teenie-Tierchen keines davon. Das eine war zu hell, das andere zu flauschig, das nächste zu dick… Am liebsten hätte sie direkt komplett neues Garn gekauft. Da schaltete sich kurzfristig der Verstand vor das Mutterherz und schalt mich: „Du wirst doch wohl nicht?“
Also nein, kein neues Garn. Bitte nimm dir etwas aus meinem Vorrat. Obligatorisches Augenrollen mit Seufzer vom Kind. Und die Alarmglöckchen in meinem Bauch fangen an, etwas lauter zu schrillen. Einatmen, Ausatmen – na wer sagt’s denn? Still sind diese dummen Glöckchen.

Schwarz

Schwarz, schwarz, schwarz, sind alle meine Kleider. Darf ich vorstellen, die Knäuelauswahl des Teenies.

Ich schlage dem Kind einige Maschen für die Maschenprobe an und ernte einen verständnislosen Blick. „Mama, das passt doch niemals! Was machst du denn da?“ Da ist dieses seltsame Klingeln wieder – Einatmen, ausatmen, gut! „Zuerst musst du eine Maschenprobe stricken, Schatz. Daran können wir dann die benötigte Anzahl der Maschen für deine Größe berechnen.“ „Kannst du die nicht machen? Dazu hab ich keine Lust!“. „Nein, das geht nicht, jeder strickt anders. Das musst du selbst stricken. Und es ist ja auch eine gute Übung, damit du später beim Top auch weißt, wie du stricken musst.“ Augenrollen und seufzen beim Teenie – Einatmen, ausatmen bei mir.

Ich zeige ihr also nun wie man eine rechte Masche strickt, wie eine linke gestrickt wird. Das Pubertier schaut gelangweilt aufs Handy. Aus dem Augenwinkel sehe ich diverse TikTok-Videos vorbeiwischen. „Wolltest du nicht stricken?“ Das fröhliche Zwitschern im Garten ist beängstigender Stille gewichen. Die Sonne hat sich hinter einem dunkelgrauen Wolkenband verzogen. Der Himmel hat sein strahlendes Blau gegen eine graue Suppe eingetauscht. Ich denke noch: Einatmen, ausatmen. Da fängt das Gesicht des missmutigen Teenies an zu leuchten und ich denke noch „na also!“. Sie wird ganz hibbelig und ist neben mir plötzlich ganz aufgeregt:
„Du Mama, Lena ruft gerade an – ich muss jetzt mal dringend telefonieren!“

Sprach’s und war für viele Stunden wieder verschollen in der hauseigenen Teenie-Höhle. Bass erstaunt über diese eigenartige Verwandlung lies ich das soeben angeschlagene Strickzeug sinken. Durch die Türe drang leises Gegacker und Gekicher. Ich atmete ein, ich atmete aus und ging wieder auf die Terrasse. Nahm mein Strickzeug wieder zur Hand und hoffe seither, dass die Pubertät nicht mehr allzu lange währt.

Kommentare

Regina N. schrieb am 23.03.2023:

Ich hab drei Töchter die wollten alle auch mal Stricken.Die dritte hat dann immerhin ein paar Socken für ihren Freund gemacht

Daniela E. schrieb am 23.03.2023:

Ich finde es so witzig, daß es wo anders auch so ist, wie bei uns. Meine Tochter hatte vor ihrer Pubertät eine Häkelphase und hat mehrere Mützen gehäkelt. Das ist aber momentan auch vorbei .

Claudia Z. schrieb am 23.03.2023:

Ich finde es so schade, dass keine meiner beiden Töchter (22 u. 25) Lust auf Stricken oder Häkeln hat! Aber vielleicht kommt das ja noch irgendwann! Wolle ist dann auf jeden Fall im Vorrat genug vorhanden!

Karin G. schrieb am 24.03.2023:

Gott sei Dank vermehrt sich das eigene Pubertier nicht! Sobald es zum Muttertier mutiert, werden begehrliche Blicke Richtung Wollkorb geworfen. "Ach, das ist doch so niedlich für ein Baby; kann ich nicht..." Und da ist sie, die nächste Chance auf rechte und linke Maschen oder Stäbchen! Allerdings muss man dran bleiben und schon mal hübsche, kleine Modelle vorlegen. Es soll sogar schon Einzelfälle gegeben haben, dass 2 sechzehnjährige Pubertiere zusammen jeweils ein farbiges Top herstellen wollten. Da muss man dann viel Zeit, Geduld und jede Menge Gebäck einplanen. Aber wenn sie den Virus erstmal drin haben, bricht er irgendwann wieder aus!

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